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Das Restaurant Gaggan Anand in Bangkok – Kochen mit Knall

Wir haben den Inder Gaggan Anand in seinem neuen Restaurant in Bangkok besucht, nehmen am G-Spot, dem exklusiven Chef´s Table im Erdgeschoss, Platz, und sind gespannt, was uns erwartet. Zu Recht, schließlich eilt dem Inder ein rebellischer Ruf voraus…

Wie die Sühring-Zwillinge bereitet auch Gaggan Anand den Gästen in seinem Restaurant ein Erlebnis, das in der kulinarischen Welt seinesgleichen sucht. Der Inder setzt ebenfalls auf die Küche seines Heimatlandes, interpretiert diese unter dem Label „Progressive Indian Cuisine“ jedoch komplett neu. Das ist aber bei weitem nicht die einzige Parallele zu den Sühring-Zwillingen, schließlich sind die drei seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Küche des Mezzaluna im bekannten Lebua Tower hier in Bangkok befreundet und inzwischen auch Geschäftspartner. Wie die Sührings hält auch Anand zwei Michelin-Sterne, ist international sogar noch erfolgreicher als die beiden Berliner. So rangiert der in Kalkutta geborene, selbsternannte Küchenrebell seit Jahren unter den Top Ten der World´s 50 Best Restaurants – aktuell belegt der bekennende Rockmusik-Fan Platz vier.

Gaggan Anand und die Sühring-Zwillinge

 

Gaggan Anand und sein Team (©The World´s 50 Best Restaurants)

Ein Besuch in Gaggan Anands Restaurant gleicht deshalb einer explosiven Mischung aus Rock-Konzert, Fine Dining Dinner – wobei die allermeisten der insgesamt 25 Gänge mit den Händen verspeist werden – und einem lockeren Abend unter Freunden. Die Bühne dafür ist in unterschiedliche Ebenen aufgeteilt – unumstrittenes Highlight in Anands Gastro-Globus ist aber der G´s Spot. An diesem Chef´s Table finden gerade einmal 14 Personen Platz, die das unkonventionelle Treiben des charismatischen Chefkochs und seines Teams exklusiv und aus nächster Nähe verfolgen können.


Gelernt hatte Anand unter anderem auch in Ferran Adriàs Molekular-Pilgerstätte „el bulli“, anschließend in verschiedenen Restaurants in Bangkok gearbeitet, bevor er 2010 sein erstes eigenes Restaurant (“Gaggan”) in der thailändischen Hauptstadt eröffnete. 2019 folgte nun der nächste Schritt, der Inder verwirklichte sich einen Traum und richtete sich ein neues Restaurant komplett nach seinen Wünschen ein – ein Streit mit seinen früheren Investoren erleichterte ihm die Entscheidung: “Köche sind kein Investment, keine günstigen Tagelöhner oder gar Küchensklaven, die für wenig Geld funktionieren müssen. Gegen diese kapitalistische Idee will ich hier rebellieren, deshalb hängt da hinten auch das Schild „Be a Rebel“ an der Wand. Chefs sind auch Menschen und Künstler, das wollen wir in diesem neuen Restaurant leben. Deshalb habe ich meine alten Partnerschaften hinter mir gelassen und alles was ich habe hier rein gesteckt. Jetzt hoffe ich nur, dass wir auch die Corona-Krise überstehen, mit einer Herausforderung dieser Art haben wir beim besten Willen nicht gerechnet.”


Deswegen ist wahrer Luxus für ihn auch nicht an materielle Güter gebunden, wie er uns verrät: “Nun, ich ziehe jetzt mit meiner Freundin zusammen, das ist alles was ich brauche. Bei meiner Scheidung habe ich alles verloren, was ich hatte. Ich fuhr nur mit meinem Auto und dem was sich am Leib trug davon, aber ich habe nicht aufgegeben. Jetzt habe ich die Liebe meines Lebens gefunden, ein tolles Team im Restaurant und fühle mich für die Zukunft gerüstet.”

Gaggan Anand – Emojis statt Speisekarte

Eine herkömmliche Menükarte suchen wir beim Dinner im Gaggan Anand übrigens vergeblich, bekommen stattdessen 25 Emojis – einmal als Aufkleber und zusätzlich in einer Box als Puzzle, das am Ende des Menüs fertig sein wird –, die die nun kommenden Gerichte symbolisieren. Was sich hinter Weltkugel, Explosion, Hand und Co verbirgt, werden wir folglich erst im Laufe des Abends und unter Begleitung der überwiegend biodynamisch ausgebauten Weine aus Europa, die Anands langjähriger Sommelier Vladimir Kojic aussucht, erfahren.

So lauschen wir den Klängen von Rammstein und Nirvana, lecken Pastete in Form einer Weltkarte direkt vom Teller, lassen das für Indien typische Joghurt als molekulare Sphäre in unserem Mund explodieren und bekommen ein Gericht sogar direkt auf unserer Hand angerichtet. Das Dinner bleibt stets überraschend, denn Gaggan Anand und sein Team lieben es, zu improvisieren. So zeigt uns der Inder seine tänzerische Interpretation von Panjabi MCs größten und eigentlich auch einzigem Chartbreaker “Mundian to bach ke” und startet später ein Live-Video auf Instagram und performt mit seiner Crew “Zombie” von den Cranberries. Auch wir als G-Spot-Gäste lassen uns anstecken, den Hit lautstark mitzugrölen – der Abend hat seinen Höhepunkt erreicht. Überhaupt spielt Musik eine große Rolle für Anand: “Ich spiele jeden Tag hier oben im Büro Schlagzeug. Ich liebe das, die Energie des Rocks der Foo Fighters und von Nirvana“, sagt er und zeigt uns eine Blase von den Drumsticks an seinem Zeigefinger und anschließend ein Handyvideo von sich beim Schlagzeugspielen.

Alle drei Monate ändert er auch das Menü im Restaurant: “In Teilen zumindest, aber nie komplett. Einige Evergreens bleiben natürlich auf der Karte”, sagt er nach dem Dinner. Ob das Gericht, das man von seinem eigenen Mittelfinger leckt, auf der Karte bleibt, ist zu erwarten. Schließlich ist der Stinkefinger inzwischen fast schon Markenzeichen, taucht auch auf den Fotos in seinem Instagram-Account immer wieder auf und es darf gerne spekuliert werden, dass er auch eine Botschaft an die früheren Partner ist: “Seht her, es geht immer weiter!”

Als wir den tropisch warmen Abend mit Gaggan Anand an der Bar mit ein paar kühlen Gin Tonics ausklingen lassen, fragen wir ihn angesichts seiner Freund- und Geschäftspartnerschaft mit den Sühring-Zwillingen natürlich abschließend noch, was denn eigentlich sein Lieblingsgericht aus Deutschland sei. „Currywurst“, lacht der Inder, „ist doch logisch!“

Hier geht es zur Homepage des Restaurants

Bilder: ©Derk Hoberg; Jessica Bachmann; Restaurant Gaggan Anand